Als die Erde bebte
Matilde war damals noch ein 15-jähriger Teenager in Palermo. Aber die Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1968 hat sich ihr ins Gedächtnis gebrannt. Als die Erde im Bélice-Tal mit einer Stärke von 6,5 auf der Richterskala bebte und im Umkreis 110 Kilometern vierzehn Orte zerstörte, waren die Erschütterungen deutlich bis in die sizilianische Hauptstadt zu spüren. Über 100.000 Menschen in der Gegend verloren ihr Zuhause, Hunderte ihr Leben. Während Gibellina, Montevago und Salaparuta fast dem Erdboden gleich gemacht wurde, blieben von Poggioreale Antica 80 Prozent der Gebäude erhalten.
Neubau statt Wiederaufbau Poggioreales
Doch mafiöser Bauspekulationen verhinderten den Wiederaufbau. Obwohl der italienische Staat Gelder für den sofortigen Wiederaufbau zur Verfügung gestellt hatte, passierte lange Zeit nichts. Doch die Hilfsgelder versickerten wie so oft zum Großteil in den Taschen der ehrenwerten Gesellschaft und korrupter Staatsdiener. Das alte Poggioreale wurde dem Verfall überlassen und drei Kilometer talwärts nach 15 Jahren das neue Poggioreale erbaut. Solange mussten die Bewohnen in Baracken ausharren.
Poggioreale: Freilichtmuseum oder Geisterstadt?
Cittá fantasma – Geisterstadt – so wird Poggioreale Antica heute oft genannt. Dabei ist es mehr ein Freilichtmuseum und ein Zeugnis der einstigen Naturkatastrophe. Vor ein paar Jahren konnte man noch ohne Probleme durch die Hauptstraße Via Roma streifen. Inzwischen versperren Gitter den Zugang zum Dorf. Einsturzgefahr! Vom Betreten der Häuser ist inzwischen dringend abzuraten.
Ehrenamtliche versuchen der Verfall aufzuhalten
Um den Verfall aufzuhalten gründete Giacinto Musso 2011 den gemeinnützigen Verein, L’Associazione Poggioreale Antica. Mit seinen ehrenamtlichen Mitstreitern versucht er das ehemalige Dorf nicht nur sauber zu halten, sondern einige der Gebäude so gut es geht abzustützen. Für Giacinto ist es sein Zuhause, obwohl er damals erst 3 Monate alt war. Das neue Poggioreale hat „keine Seele“, sagt er. Giacinto möchte nicht nur die Erinnerung an seinen Geburtsort wach halten, sondern er kämpft auch um die Anerkennung als Kulturerbe und versucht Investoren anzusprechen. Bisher allerdings vergeblich. Dennoch ist es der Gruppe gelungen gleich am Eingang des Dorfes eines der Gebäude wieder herzurichten und dort ein Museum einzurichten. Mit etwas Glück trifft man ihn dort an und er öffnet die Gitter.
Ein Spaziergang in eine andere Zeit
Bisher verirren sich nur wenige Touristen in diese Gegend, haben doch die neu aufgebauten Städte außer Gibellina Nuova mit seiner Kunst im öffentlichen Raum keine touristischen Highlights zu bieten. Zumal nur wenige Hinweisschilder mit der Aufschrift „ruderi“ (Ruinen) den Weg weisen und viele der Straßen wegen eines Erdrutsches oft gesperrt sind. Dabei ist ein Spaziergang durch die verlassene Stadt in Panoramalage mit Blick auf das sanft geschwungene Tal eindrucksvoll und eine faszinierende Zeitreise zurück in den Augenblick des Erdbebens. Gleichzeitig lässt er auch die Schönheit des alten Poggioreales und das dörfliche Leben von einst erahnen. Fast wehmütig schaut man von hier auf den modernen trostlosen Nachfolger.
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